Dienstrechtänderungsgesetz – Lippmann: Wahlmöglichkeit bei Krankenversicherung ist ein Meilenstein für den Freistaat als attraktiver Arbeitgeber

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Viertes Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Viertes Dienstrechtänderungsgesetz)“ (Drs 7/11452)
73. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 05.07.2023, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem wir heute Morgen über die grundliegenden Anforderungen an eine moderne Verwaltung gesprochen haben, geht es nun hinein in eine der wichtigsten und zugleich komplexesten Materien in diesem Zusammenhang: das Besoldungsrecht. Es geht um nicht weniger, wie wir die Alimentation der Beamtinnen und Beamten so ausgestalten, dass diese den verfassungsrechtlichen Grundsätzen und auch dem Anspruch an einen attraktiven öffentlichen Dienst genügt.

Im konkreten Gesetzentwurf wird dabei zum einen die letzte Tarifanpassung im Tarifvertrag der Länder nachvollzogen, die in der Praxis aber schon durch den Freistaat vorweggenommen umgesetzt wurde. Das ist eine recht einfache Übung, solange im TvL keine Tarifsteigerungen durch Fixbeträge vorgesehen sind – eine Hoffnung für die nächste Verhandlungsrunde.

Die weit komplexere Anpassung betrifft die Anpassung an die jüngere Judikatur des Bundesverfassungsgerichtes. An dieser Stelle will ich – auch weil es eine sehr intensive Diskussion zu einer vermeintlich notwendigen Anpassung der Grundbesoldung gab und gibt – kurz einen Blick darauf werfen, WAS das Bundesverfassungsgericht 2020 eigentlich entschieden hat.

Im Kern ging es um das exogene Abstandsgebot, also der Abstand der Besoldung zu einer vergleichbaren Konstellation im Bereich der Grundsicherung – die vollkommen logische Grundüberlegung: auch der schlechteste besoldete Beamte soll mehr erhalten als Menschen in der Grundsicherung. Entschieden hat das BVerfG im Konkreten, dass die Besoldung eines alleinverdienenden Beamten mit zwei Kindern in den untersten Besoldungsgruppen dem notwendigen Mindestabstand von 15 Prozent zur Grundsicherung nicht entspricht.

Im ersten Schluss könnte man natürlich in Verkennung der besoldungsrechtlichen Spezifika zur Annahme schreiten, man müsse nur die Besoldung in den unteren Besoldungsgruppen erhöhen und das Problem sei gelöst.

Und schon winkt Karlsruhe mit dem endogenen Abstandsgebot, im Jahr 2017 durch das BVerfG quasi in Beton gegossen. Das besagt verkürzt, dass der Anstand zwischen den Grundbesoldungen der einzelnen Besoldungsgruppen relativ gleich sein muss. Entsprechend würde sich bei der Lösung über die Grundbesoldung vor allem der A16-Beamte sehr darüber freuen, dass man endlich mal etwas für die unteren Einkommensgruppen getan hat. Und das kann selbst nicht Ziel des BVerfG gewesen sein.

Folglich hat das Finanzministerium nach anderen Lösungen gesucht und mit den Anpassungen bei der Beihilfe und den Zuschlägen ein Modell kreiert, dass einen anderen Weg geht, der gleichwohl ebenso zum Ziel führt.

Nach der Anhörung haben wir als Koalition noch einmal an entscheidenden Stellen nachgebessert. Denn gerade mit Blick auf die vorgeschlagene Nachzahlung, die generell nur an die Widerspruchsführenden gezahlt werden sollte, sie gleichwohl in die Berechnung des Abstands zur Grundsicherung eingerechnet wurde, wäre der ursprüngliche Gesetzentwurf wohl hoffnungslos in die Verfassungswidrigkeit gekippt. Dies haben wir behoben, ebenso wie wir Nachjustierungen im Bereich der Beihilfe und Zuschüsse vorgenommen haben, um die Praxistauglichkeit zu erhöhen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
auch uns als Koalition ist sehr bewusst, dass wir es mittlerweile im Besoldungsrecht mit einer Reihe von Zielkonflikten zu tun haben, die sich daraus ergeben, dass wir die Besoldung seit dem Übergang auf die Länder vor zehn Jahren stets nur an die Tarifabschlüsse und die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung anpassen. Das kann uns auf die Dauer nicht zufrieden stellen.

Wir haben bereits im Zuge der Fachregierungserklärung darüber geredet, wie eminent gutes Personal für einen funktionierenden Rechtsstaat und damit die Funktionsfähigkeit der Demokratie ist.

Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Staatsregierung bis 2025 auffordert, hier eine grundlegende Überarbeitung des Besoldungssystems vorzulegen, der den Ansprüchen an ein modernes Besoldungsrecht genügt. Durch die Einbeziehung aller relevanten Akteur*innen in diesem Bereich soll eine breite Expertise zusammenkommen. Damit soll ein Baustein dafür geschaffen werden, um im Wettbewerb um die klügsten Köpfe weiterhin mithalten zu können – und somit langfristig motiviertes zu gewinnen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
in diesem Gesetzesentwurf befindet sich auch ein BÜNDNISGRÜNES Herzensprojekt. Bereits in meiner Rede zur Fachregierungserklärung bin ich auf eine diverser werdende Beamt*innenschaft eingegangen. Das zeigt sich auch in ihren Lebenswegen– viele Beamt*innen treten nicht mehr in ihren Zwanzigern in das Beamtenverhältnis ein und bleiben dort bis zur Pensionierung. Vielmehr finden sich auch dort vermehrt Quereinsteiger*innen. Auch die Bereicherung der Verwaltung um verschiedene Lebenserfahrungen kann nur zu deren Qualität beitragen.

Doch sie waren bislang, ähnlich wie Menschen mit vielen Kindern oder mit Vorerkrankungen, vor finanzielle Hürden gestellt. Denn wollten sie in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert bleiben, mussten sie den ganzen Krankenkassenbeitrag selbst tragen. Und jede*r von Ihnen, der schon einmal eine solche Abrechnung in den Händen hielt, weiß, dass das kein unerheblicher Betrag ist. Das wollen wir ändern – und führen mit diesem Gesetzesentwurf auch die pauschale Beihilfe ein. Künftig können Beamt*innen und Richter*innen freiwillig versichert bleiben und der Freistaat zahlt die Hälfte des Versicherungsbeitrages als Zuschuss. Diese echte Wahlmöglichkeit ist ein Meilenstein für den Freistaat als attraktiver Arbeitgeber.

Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem wir nun in diesem Plenum so viel über sie gesprochen haben, möchte ich abschließend all den Beamt*innen und Richter*innen danken, die sich tagtäglich dafür einsetzen, die Werte unseres Grundgesetzes und der Sächsischen Verfassung mit Leben zu füllen. Vielen Dank!