Kitagesetz – Melcher: Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu mehr Qualität in unseren Kitas
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kindertageseinrichtungen“ (Drs 7/12227)
71. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 01.06.2023, TOP 5
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 1. August gibt es ein Jubiläum: Zehn Jahre Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Auch wenn dieses Jubiläum nicht der Anlass für die jetzt vorliegende Kitagesetz-Novelle ist, so lohnt dennoch ein Blick zurück. Die Bilanz zeigt: Wir sind auf einem langen Weg schon ein gutes Stück vorangekommen.
Ende 2012 habe ich in Leipzig die Kita-Initiative mitbegründet. Die Situation in der Stadt und im Freistaat insgesamt war desolat. Der Landeszuschuss zur Kita-Finanzierung lag damals über Jahre unverändert bei 1.875 Euro. Es fehlten Betreuungsplätze, besonders in den kreisfreien Städten und für unter Dreijährige. Eltern brauchten mehr als gute Nerven bei der Suche nach einem Betreuungsplatz. Elternportale funktionierten nicht oder nur schlecht. Eine Bedarfsplanung, die ihren Namen verdient, gab es nicht. Glauben Sie mir – ich spreche hier aus eigener leidvoller Erfahrung.
Parallel zur Diskussion um die Bedarfsdeckung ging es auch damals schon um die Betreuungssituation in den Einrichtungen. 2013 unterschrieben mehr als 70.000 Menschen die Petition „Weil Kinder Zeit brauchen“. 2014 waren Kitas, vermutlich zum ersten Mal, ein zentrales Thema im Wahlkampf – ich erinnere an Minister Dulig, der sich als Steinmetz probierte (und „bessere Kitas“ einmeißelte). Seitdem ist viel passiert.
Von 2015 bis 2018 wurde der Personalschlüssel in vier Schritten gesenkt: in den Kitas von 1:13 auf 1:12,5 bzw. 1:12; im Krippenbereich von 1:6 auf 1:5,5 bzw. 1:5. Zum 1. September 2018 betrug der Landeszuschuss bereits 2.455 Euro pro Kind und Jahr.
Seit 2019 engagierte sich der Bund verstärkt für die Weiterentwicklung der Qualität und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung. Das „Gute-Kita-Gesetz“ ermöglichte auch in Sachsen den nächsten Schritt hin zu mehr Betreuungsqualität. 2018 hatte die Kita-Umfrage gezeigt, wo die Priorität lag: bei der gesetzlichen Verankerung der sogenannten mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten, kurz: der Vor- und Nachbereitungszeit. Das gelang mit dem Doppelhaushalt 2019/20. Seither haben die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas (ab 34 Wochenarbeitsstunden) zwei Stunden wöchentlich Zeit für Dokumentation, Teamberatung und Elternarbeit. Erstmals wurden auch die Horte und die Kindertagespflege berücksichtigt: der Hort direkt bei der Vor- und Nachbereitungszeit – übrigens finanziert aus Landesmitteln –, die Kindertagespflege durch Finanzierung der mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten, da eine Änderung im Betreuungsschlüssel hier offenkundig nicht funktioniert. 2019 sind wir mit einem Landeszuschuss in Höhe von 3.033 Euro pro Jahr und Kind in die neue Legislatur gestartet.
Mit dem Doppelhaushalt 2021/22 haben wir diesen Weg fortgesetzt. Zusätzlich zur Vor- und Nachbereitungszeit haben wir die Richtlinie KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserung aufgesetzt. Seither ist sowohl die Praxisanleitung förderfähig als auch Personalkostenzuschüsse für Personen in berufsbegleitender Fort- oder Weiterbildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zu einer Bilanz gehört es auch, Lehren zu ziehen. Es war richtig und überfällig, den Hort bei der Vor- und Nachbereitungszeit wie auch bei den zuletzt ergriffenen Qualitätsmaßnahmen mit einzubeziehen. Es war überfällig, weil der Hort von den Schlüsselverbesserungen bis dato nicht profitiert hatte. Es war und ist richtig, dafür Landesmittel in die Hand zu nehmen, weil die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz nicht für Schulkinder verwendet werden dürfen. Es darf und wird uns nicht wieder passieren, den Hort bei Qualitätsmaßnahmen zu vergessen!
Eine zweite Lehre: Es ist gut und richtig, die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz in Qualität zu investieren statt in Gebührenfreiheit. Ich bin dankbar, dass wir in dieser Frage in Sachsen einen breiten Konsens haben, sowohl innerhalb der Koalition als auch mit der Fachpraxis.
Wie geht es nun weiter?
Wir werden heute ein novelliertes Kita-Gesetz beschließen, mit dem wir den nächsten Schritt gehen. Wir verbessern die personelle Ausstattung in den sächsischen Kitas. Ab August bringen wir 1.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher in die Einrichtungen. Der Landeszuschuss steigt rückwirkend zum 1. Januar um 200 Euro als Ausgleich für die gestiegenen Betriebskosten. Und er steigt nochmals ab 1. August um 218 Euro. Zum zehnjährigen Bestehen des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr wird der Landeszuschuss 3.455 Euro betragen. Zur Erinnerung: Am 1. August 2013 lag er noch bei 1.875 Euro.
Das ist sicher nicht das Ende der Fahnenstange. Aber es ist doch ein weiterer Meilenstein auf unserem Weg. Im Bund steht die Weiterentwicklung des Kita-Qualitätsgesetzes an. Ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards entspricht einer langjährigen BÜNDNISGRÜNEN Forderung. Wir werden daher alles daran setzen, die Bundesmittel auch im Freistaat für weitere Qualitätsverbesserungen einzusetzen. Ich sage aber auch deutlich: Ohne weitere Anstrengungen des Landes wird es nicht gehen, nicht nur aufgrund der notwendigen Landesmittel für den Hort. Wir müssen und wir werden uns in naher Zukunft dafür einsetzen, dass die sinkenden Kinderzahlen nicht zu weniger Personal in den Kitas führen. Es wird unsere Aufgabe sein, die sogenannte „demografische Rendite“ in ein pädagogisches Plus zu verwandeln, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Übrigens: Die Leipziger Kita-Initiative gibt es auch heute noch. Auch wenn sich einige ihrer Forderungen überholt haben: Der Einsatz für bessere Kitas, für eine Politik im Interesse der Jüngsten war für mich eine Initialzündung, mich politisch zu engagieren. Und es ist bis heute mein größter Antrieb.
Ich bitte um Ihre Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Vielen Dank.