Aktuelle Debatte Sanierung/Heizungstausch – Gerber: Wir müssen jetzt die Weichen für den Industriestandort der Zukunft stellen
Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Daniel Gerber (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion AfD zum Thema: „Mit grünen Verbotsorgien in die Enteignung – Sanierungszwang stoppen!“
69. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 26.04.2023, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich hab es in diesem Haus schon so oft gesagt, aber ich wiederhole mich gern so lange, bis es alle verstanden haben: Die Klimakrise bedroht unser aller Wohlstand. Der Sommer 2022 war der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Deshalb müssen wir auch endlich etwas dagegen unternehmen – und zwar in allen Sektoren, insbesondere dort, wo bisher nichts passiert ist. Also vor allem im Verkehr und der Wärmeversorgung.
Mit plumpem Populismus kann man diesem enorm wichtigen und vor allem komplexen Thema nicht gerecht werden. Anstatt von Heizungsdiktatur oder Heizhammer als Atombomben zu faseln, Menschen aufzustacheln und Fake News vom Sanierungszwang zu verbreiten oder die Deindustriealisierung herbeizureden, fordere ich von allen eine konstruktive Debatte.
Angst ist ein schlechter Ratgeber. Dagegensein bringt uns keinen Schritt näher an eine Lösung. Wahrheiten zu ignorieren genauso wenig. Was wir vor allen Dingen brauchen, ist ein positives Zukunftsbild. Wir brauchen eine positive und zukunftsgewandte Erzählung, auch um Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen, die wir in allen Bereichen für diese Transformation so dringend brauchen. Wir wollen in Sachsen und Deutschland selbstverständlich Industrieland bleiben. Doch die Antworten, die vielleicht vor zehn, zwanzig Jahren die richtigen waren, sind es heute nicht mehr. Damit Dinge so bleiben können, wie sie sind, müssen wir uns an die veränderten Realitäten anpassen.
Neben den Klimschutzverpflichtungen, die uns vom Bundesverfassungsgericht auferlegt wurden und die wir der nächsten Generation schulden, ist die Umstellung auf erneuerbares Heizen aus meiner Sicht Verbraucher*innenschutz. Der damit zwingend einhergehende Ausbau der erneuerbaren Energien ist Industriepolitik und sichert unseren Wohlstand.
Für diese Veränderungen hatten unionsgeführte Vorgängerregierungen spätestens seit dem Pariser Abkommen und dem Klimaschutzgesetz lange Zeit, konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz festzulegen. Aber das hat sie nicht gemacht. Ob Mut oder Wille gefehlt hat, mag ich nicht beurteilen.
Diese Maßnahmen werden jetzt endlich nachgeholt.
Die Umsetzung der Wärmewende passiert nicht am 1. Januar 2024. Sie ist eine Aufgabe bis 2045. Niemand kommt in die Heizungskeller und reißt funktionierende Anlagen raus. Es wird lange Übergangsfristen und Härtefallregelungen geben.
Wenn wir diese Aufgabe ernst nehmen, dann liegt es doch auf der Hand, dass alle neuen Heizungen auch zukünftig erneuerbar betrieben werden können.
Wer jetzt noch in eine neue, fossile Heizung investiert, der wird in ein paar Jahren eine böse Überraschung erleben. Dann nämlich, wenn die Brennstoff- und CO2-Preise durch die Decke gehen. Wenn man Klimaschutz möchte, aber gegen Verbote ist, dann muss der Preis für den CO2-Ausstoß entsprechend hoch ausfallen. Das ist das ökonomische Grundprinzip, wenn Emissionen gesenkt werden sollen. Der CO2-Preis wird somit fossiles Heizen zukünftig massiv verteuern! Das Problem durch den weiteren Einbau fossiler Heizungen weiter zu vergrößern, kann nicht die Lösung sein. Ich finde, da sollten diejenigen, die hier nach mehr Markt rufen, sich auch ehrlich machen.
In meinen Augen ist die Einschränkung auf nicht vom CO2-Preis betroffene neue Heizungen damit reiner Verbraucher*innenschutz!
Und natürlich wird der Umstieg auf klimafreundliches Heizen auch weiterhin gefördert werden, bis zu 50 Prozent. Einerseits um positive Anreize für die Umstellung zu bieten, andererseits um soziale Härten abzufangen. Dazu kommen bis zu 80 Prozent für die Energieberatung.
Meine Damen und Herren,
das Einzige, was diese populistisch geführte Debatte bringt, ist, dass wir uns weiter in der Welt abhängen lassen. In nur fünf Jahren wurde es nach 2011 tatsächlich geschafft, die Solarwirtschaft in Deutschland von knapp 160.000 auf knapp 40.000 Beschäftigte zu vierteln. Mit dem Ergebnis, dass China nun rund 90 Prozent der solaren Lieferkette dominiert. Das gleiche Bild beim Verbrenner. Während der Rest der Welt auf Elektromobilität setzt, klammern sich hierzulande Teile der Politik weiter an das Verbrennen von eFuels. Welche Auswirkungen das hat, zeigt der Titel „Das ist der Anfang vom Ende für Deutschlands Autobauer in China” der Wirtschaftswochewoche. Dort ziehen die chinesischen E-Autohersteller mit zweistelligen Wachstumszahlen an VW, Mercedes und BMW vorbei. Und wenn man jetzt die extrem effiziente und wirtschaftliche Wärmepumpe, die übrigens in ganz Skandinavien seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird, so behandelt, als wäre sie des Teufels, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn ein US-Unternehmen zugreift und Viessmann für einen zweistelligen Milliardenbetrag kauft.
Meine Damen und Herren,
wir müssen endlich aufhören, ständig wieder die gleichen Fehler zu machen. Lassen sie uns die Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig vor einem zu hohen CO2-Preis schützen und den erneuerbaren Industriestandort stärken.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wenn man Klimaschutz nicht ernst nimmt, dann ist Politik ganz leicht. Wenn man den Klimawandel gleich ganz leugnet noch viel leichter. Wenn man die Deindustrialisierung herbeiredet, obwohl doch die Wirtschaftsleistung Sachsens im vergangenen Jahr mit 2,6 Prozent stärker als im Bundesdurchschnitt gewachsen ist und sogar die Exporte trotz Russlandsanktionen 2022 um gut 17 Prozent und damit auf Rekordniveau wuchsen, dann wird sie vielleicht auch kommen. Wirtschaft ist ja bekanntlich zu 50 Prozent Psychologie.
Es ist einfach, Ziele als unrealistisch abzutun, mehr Technologieoffenheit zu fordern oder Regelungen als Verbotsorgien in den Dreck zu ziehen. Aber das schafft natürlich keine Lösungen. Lösungen schafft man nur, indem man sich dem Problem stellt und Schritt für Schritt voran geht. Ein konkreter Schritt zur Lösung der Probleme, der mir sehr wichtig ist, ist die kommunale Wärmeplanung. Mit dem Koalitionsantrag zu diesem Thema wollen wir den Kommunen konkrete Hilfen bei dieser anspruchsvollen, aber auch sehr lohnenden Aufgabe an die Hand geben.
Die vor uns liegenden Herausforderungen der kommenden Jahre bis zur Klimaneutralität 2045 sind sicherlich nicht leicht. Aber Klimaschutz kann nicht die alleinige Aufgabe der Grünen sein. Es müssen alle mitmachen. Ich wünsche mir daher von allen Parteien eine konstruktive Debatte und echte Schritte zur Lösung.
Vielen Dank!