Lehrkräftemangel – Maicher: Es braucht noch bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen
Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Gemeinsame Strategie der Bundesländer zur Deckung des Lehrkräftebedarfs: ‚Zukunftsstaatsvertrag Lehrkräftebildung und Lehrkräftesicherung‘ – Jetzt!“ (Drs 7/12667)
68. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 16.03.2023, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
als der bayrische Ministerpräsident Markus Söder Mitte Januar seine Werbe- – oder besser Abwerbe-Kampagne für Lehrkräfte ankündigte, war die Empörung groß. 6.000 neue Lehrkräfte für Bayerns Schulen sind das Ziel. Da reichen die Absolventinnen und Absolventen bayrischer Universitäten nicht aus. Nein: Man will in Größenordnungen anderen Bundesländern die Lehrkräfte abspenstig machen.
Für mich zeigt sich hier ganz klar: Der Mangel ist groß. Die Stimmung ist gereizt. Und: Not macht manche erfinderisch, andere hingegen unsolidarisch, ich möchte sogar sagen dreist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir BÜNDNISGRÜNE üben seit vielen Jahren Kritik am faktischen Kooperationsverbot in der Bildungspolitik. Wir werben für einen kooperativen Bildungsföderalismus und länderübergreifende Maßnahmen in zentralen bildungspolitischen Fragen.
Im Koalitionsvertrag des Bundes haben wir die Einberufung eines Bildungsgipfels verankert – und es wird Sie nicht verwundern, dass wir das, was da vorgestern in Berlin stattfand, nur als Auftakt für eine neue Form der Zusammenarbeit verstehen.
Die Linksfraktion fordert im vorliegenden Antrag einen Staatsvertrag zur bundesweiten Lehrkräfteausbildung und -sicherung. Die Regelungen zu Bedarfsprognosen, Ausbildung, Anerkennung und Quereinstieg sollen vereinheitlicht und die Lasten fairer verteilt werden.
Ja, wir müssen weiter darauf drängen, dass alle Länder ihren Ausbildungsverpflichtungen im Lehramt nachkommen. Ja, wir brauchen selbst für bestehende KMK-Vereinbarungen mehr Verbindlichkeit. Ja, wir brauchen gemeinsame Strategien. Dennoch ist ein Staatsvertrag für mich ein Nebenschauplatz und nicht die Lösung des Problems.
Staatsverträge sind aufwendig, die Gefahr des Scheiterns ist groß und sie dauern lange. Ein Anlauf im Jahr 2011, an dem Sachsen übrigens beteiligt war, scheiterte. Beim letzten Anlauf 2019 wurde aus dem ursprünglich anvisierten Bildungsstaatsvertrag der bereits erwähnte Bildungsgipfel. In anderen Politikfeldern zeigte sich wiederholt, dass Staatsverträge zwar Verbindlichkeit schaffen, der Weg dorthin aber, gelinde gesagt, zäh ist und mitunter schlichtweg nicht gangbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben nicht die Zeit, auf den Abschluss eines Staatsvertrages zu warten.
An dieser Stelle möchte ich einer Unterstellung im Antrag der Linksfraktion begegnen: Es stimmt nicht, dass es keine „belastbaren Vorschläge oder wirksamen Schritte“ seitens des Kultusministeriums gibt, um den Lehrkräftemangel zu lindern. Vielmehr tut der Freistaat genau das, was er tun und regeln kann – und vor allem: was kurz- und mittelfristig wirkt.
Die aktualisierte Lehrkräftebedarfsprognose des Kultusministeriums liegt vor, ich empfehle einen Blick in Drucksache 7/12278. Die Ausbildungskapazitäten im Lehramt wurden auf 2.700 Plätze für Erstsemestler erhöht. Sachsen hält sich unverändert an die gemeinsamen KMK-Standards und -Vereinbarungen zu Ausbildung und Anerkennung von Lehrkräften. Bei der Qualifizierung im Seiteneinstieg ist der Freistaat beispielhaft vorangegangen. Und wir kommen, das wird auch in der Studie von Mark Rackles deutlich, unseren Ausbildungsverpflichtungen in vollem Umfang nach.
Statt hehre Ziele zu formulieren, deren Umsetzung viel zu lange brauchen und deren Nutzen fraglich ist, müssen wir handeln. Denn klar ist: Auch eine gemeinsame Strategie der Länder, auch ein Staatsvertrag, kann den bundesweiten Mangel an jungen Menschen, an potenziellen Lehrkräften, an Köpfen nicht beheben.
Ich wünsche mir, dass die Not, dass der Mangel, uns erfinderisch macht. Aus meiner Sicht müssen wir uns dabei auf bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen von Referendaren und Lehrkräften konzentrieren. Zu den qualitativen Anforderungen einer zukunftsfähigen Lehramtsausbildung sagt die Linksfraktion in ihrem Antrag übrigens nichts. Hier möchte ich nicht auf KMK-Beschlüsse warten, sondern setze auf die Innovationskraft im eigenen Land, beispielsweise beim Stufenmodell an der Universität Leipzig. Und vielleicht gibt es auch irgendwann eine parlamentarische Mehrheit für ein Lehrkräftebildungsgesetz. Unser BÜNDNISGRÜNER Vorschlag dazu liegt vor.
Wir werden auch die Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission zur Lehrerbildung prüfen, die demnächst vorgestellt werden. Ich habe die Hoffnung, dass diese echte Anregungen bieten, wie künftig die Unterrichtsabsicherung gelingen kann, ohne die Schulentwicklung völlig aus dem Blick zu verlieren. Ich wünsche mir neue, unkonventionelle Ideen. Lassen Sie uns tun und umsetzen, was wir tun können.
Ihren Antrag werden wir ablehnen. Vielen Dank.