Lohnlücke – Hammecke: Wir müssen dieses Problem ganzheitlich auf allen Ebenen angehen
Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Gleiche Entlohnung für gleichwertige Arbeit: Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern endlich schließen – Einheitliche Bewertungsstandards einführen!“ (Drs 7/12514)
67. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 15.03.2023, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleg*innen,
gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das steht für uns außer Frage. Im Schnitt sind Frauen dieses Jahr 66 Tage ohne Bezahlung arbeiten gegangen. Wir müssen deshalb über Geld reden. Denn wir können uns diese Ungerechtigkeit nicht länger leisten.
Das Bundesarbeitsgericht hat im Februar den Anspruch auf gleiche Bezahlung per Urteil bestätigt: Es ist nicht Verhandlungssache, ob man mehr Lohn erhält. Mit dem Argument „Der Mann hat halt besser verhandelt!“ ist damit Schluss.
In diesem Jahr stand der Equal Pay Day unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“. Dort, in der Kunst und Kultur, ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen sogar überproportional groß: der unbereinigte Gender Pay Gap liegt bei über 30 Prozent.
Dazu war ich vergangene Woche gemeinsam mit meiner Kollegin Claudia Maicher im Gespräch mit Verbänden und Initiativen – mit Künstlerinnen, die sich dieser Ungerechtigkeit jeden Tag gegenüber sehen und die gemeinsam Strategien bauen, um strukturell gegen diese Ungleichheit vorzugehen.
Und strukturell dagegen vorgehen – das müssen wir!
Der Antrag spricht davon, grundlegende Strukturen zu verändern, um endlich gerechte Entlohnung zu bewirken. Und dieser Ungeduld kann ich nur zustimmen.
Was tun wir also, um endlich die Lohnlücke zu schließen?
Abgesehen davon, dass auch ein modernes Gleichstellungsgesetz zum Abbau von Lohnlücken beiträgt, arbeitet das SMJusDEG auch konkret zum Thema „Equal Pay“.
1. Mit der vom Ministerium geförderten Studie zu „Geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden in Sachsen in Zeiten der Corona-Pandemie“ vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und
2. seiner aktuellen Workshopreihe „gender pay gap in Sachsen“ zusammen mit dem DGB, in der konkret an Lösungsvorschlgen gearbeitet wird. Diese reichen von Mentorings und Herstellung der Transparenz über das Entgelt bis hin zum Aufbrechen veralteter Rollenbilder.
Zum anderen zeigen die Ergebnisse aber auch: Wir müssen auch regionale Bedingungen in Sachsen in den Blick nehmen. Es macht einen Unterschied, ob wir über Görlitz oder Zwickau sprechen.
Die Erhebungen zeigen: Die Entgeltlücke ist real – wir müssen sie bekämpfen, auch hier in Sachsen. Das Anliegen des Antrags teilen wir.
Bei vielen guten Punkten bleibt der Antrag dann aber doch eher vage, was konkrete Lösungsvorschläge betrifft. Und wirft manchmal doch mehr Fragen als Antworten auf. Ich möchte daher jetzt auch begründen, weshalb wir den Antrag auch ablehnen.
Im Fokus des Antrages steht die Forderung, Bewertungsstandards und Zertifizierungsverfahren für sächsische Unternehmen per Gesetz einzuführen. So ja auch der Titel und orientiert sich am Beispiel Islands.
Der Ansatz ist auch wirklich lohnenswert, sich mal genauer anzuschauen.
Zuletzt hat BMW damit Schlagzeilen gemacht, dass das Unternehmen seine Lohnlücken geschlossen hat. Sie haben als erstes Unternehmen in Deutschland die höchste Zertifizierung des Fair Pay Innovation Lab (FPI) erhalten. Die positive Resonanz zeigt: Faire Bezahlung ist einfach auch wirtschaftlicher klüger.
Denn es gibt bereits verschiedene solcher Bewertungstools, zum Beispiel den Entgeltgleichheitscheck, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bewirbt, oder den Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen des BMFSFJ.
Um solche Verfahren mal plastisch zu machen: Unternehmen können sich anmelden, danach wird der Status Quo des bestehenden Gehaltgefüges analysiert und bei positiver Bewertung wird dem Unternehmen ein international anerkanntes und EU geprüftes Zertifikat verliehen.
Ein sinnvolles Anliegen! Und die Bundesregierung handelt hier tatsächlich: Das Fair Pay Innovation Lab prüft im Rahmen eines Gutachtens und im Auftrag des BMFSFJ die Anwendbarkeit und Übertragbarkeit des isländischen Zertifizierungsverfahrens für Entgeltgleichheit auf Deutschland. Dies sollte meines Erachtens abgewartet werden, denn eine bundeseinheitliche Regelung erscheint mir zielführender.
Denn ob der Landesgesetzgeber hier neben den bundesrechtlichen Regelungen zum Entgelttransparenzgesetz überhaupt tätig werden darf, ist zumindest nach unserer Prüfung zweifelhaft. Nichtsdestotrotz ist das ein Thema, was wir im parlamentarischen Prozess des Gleichstellungsgesetzes sehr gerne miteinander und mit Sachverständigen auch an konkreten Vorschlägen zum Gesetz diskutieren können und sollten!
Ohne Frage, wir müssen das Thema ganzheitlich auf allen Ebenen angehen!
Da schaue ich in Richtung Bund und auf die Reform zum Entgelttransparenzgesetz; in Richtung Europäische Union, wo die Lohntransparenzrichtlinie im März verabschiedet werden soll; und nach Sachsen, wo endlich ein modernes Gleichstellungsgesetz kommen muss, wir darüber hinaus auch über gleichstellungspolitische Strategien für den Freistaat sprechen müssen.
In Einem stimme ich dem Antrag zu: „Den Luxus, auf das weibliche Fachkräftepotential zu verzichten, hat Sachsen nicht.“ Gehen wir deshalb gemeinsam die Kunst der gleichen Bezahlung an.
Vielen Dank!