Sozialpolitik – Čagalj Sejdi: Wir brauchen weiter wirksame, individuelle Entlastung für die Bürger*innen
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Sozial und gerecht: Schutzschirm für die Menschen jetzt aufspannen!“ (Drs 7/10142)
54. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 14.07.2022, TOP 10
Sehr geehrter Präsident,
meine Damen und Herren,
wir haben bereits heute früh in der Aktuellen Debatte ausführlich über die drohende Gasknappheit, die steigenden Preise für Energie und Lebensmittel diskutiert.
Und eines möchte ich gleich zu Beginn klarstellen: Die Bundesregierung hat sehr wohl den Ernst der Lage verstanden und arbeitet mit Hochdruck an Lösungen. Die Geschwindigkeit spüren wir auch hier im Landtag, weil wir heute unter anderem auch ein Gesetz beschlossen haben, damit die im Mai im Bundestag beschlossenen Hilfen im Juli ausgezahlt werden können. Konkret: ein monatlicher Zuschlag in Höhe von 20 Euro zum Kindergeld für arme Familien und eine einmalige Energiepauschale für einkommensschwache Haushalte in Höhe von 200 Euro. Das klingt im ersten Moment zwar nicht so viel, aber wenn man die verschiedenen Unterstützungen (9 Euro-Ticket, Energiegeld, mehr Kindergeld für alle, …) betrachtet, so kann die Opposition uns zumindest keine Untätigkeit vorwerfen.
Heute morgen in der Debatte haben Sie kritisiert, dass wir uns ausschließlich auf die Bundesregierung beziehen. Aber wenn ich mir Ihren Antrag anschaue: Der Antrag der Linksfraktion umfasst auch dieses Mal ausschließlich Bundespolitik.
Zur ersten Forderung: Die Bundesregierung ist schon seit Wochen dran, einen bundesweiten Notfallversorgungs-Maßnahmenplan aufzulegen, um die sichere Versorgung von Unternehmen, Haushalten und Verbraucher*innen mit Energie, Heiz, Brenn- und Kraftstoffen sicherzustellen.
Natürlich verfolgt die Kenia-Koalition das Ziel, eine Kostenexplosion zu verhindern. Nur seit dem Stopp der Gaslieferung durch Nordstream 1 hat sich die Situation noch einmal deutlich verschärft. Wir haben es hier mit einem nicht mehr funktionierenden Markt zu tun. Politik kann darauf nur bedingt Einfluss nehmen. Wir müssen die Komplexität dieser Versorgungskrise – verursacht durch den Angriffskrieg Russlands – beim Namen nennen und sollten nicht den Eindruck erwecken, der Staat kann das über Nacht per Fingerschnipp lösen, wenn der Wille nur da ist.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vergangene Woche einem bundesweiten Preisdeckel für das zur Stromproduktion genutzte Gas eine Absage erteilt, weil das sehr teuer wird.
Eine einstweilige Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel (Senkung auf null Prozent) sehen wir nicht als sinnvoll an. Wir befürchten, dass nur ein Teil der Mehrwertsteuerung – wie beim Tankrabatt – an die Verbraucher*innen weitergegeben wird.
Die Idee, einen Rettungsfonds für betroffene Unternehmen einzurichten, mit dem Insolvenzen infolge der Sanktionen, Embargos und Preissteigerungen verhindert werden, finden wir gut. Nur ist das finanziell ein Fass ohne Boden. Hier muss Bundespolitik prüfen und einen Rahmen finden. Mit den staatlichen Hilfen für den Energiekonzern Uniper wird gerade ein Schritt in diese Richtung gegangen.
Statt das 9-Euro-Ticket bis zum 31. Dezember 2022 zu verlängern, halten wir eine Weiterentwicklung des 9-Euro-Tickets für sinnvoll an, zum Beispiel ein 365 Euro-Ticket, das das ganze Jahr gilt. Aber auch hier müssen die politischen Ideen auch mal finanziell durchgerechnet werden.
Die Mineralölkonzerne mit einer Übergewinnsteuer zur Verantwortung zu ziehen und die dabei vereinnahmten Mittel direkt an die Verbraucher*innen zurückzugeben, halten wir BÜNDNISGRÜNE für sinnvoll, scheitern aber an der FDP.
Der Tankrabatt hat gezeigt, wie schwer es ist, die Brenn- und Treibstoffpreise für die Verbraucher*innen wirksam zu deckeln. Wir wollen möglichst nicht in die Preisbildung eingreifen. Außerdem würde eine Deckelung die Versorgung mit Treibstoffen erschweren. Es sei denn der Staat zahlt die Differenz. Das wollen wir nicht.
Der Bundestag hat bereits zwei umfassende Entlastungspakete verabschiedet, die aktuell auch umgesetzt werden. Die Hilfen kommen also an und entlasten. Die Linksfraktion will die Hilfen für Rentner*innen und Studierende ausweiten, indem ein Sofortprogramm aufgelegt wird, das monatliche Zahlungen von 125 Euro für jeden Haushalt und 50 Euro für jedes über ein Haushaltsmitglied hinausgehendes Mitglied des Haushaltes vorsieht. Ich sage Ihnen: Das lässt der Bundeshaushalt nicht zu. Wir brauchen weitere wirksame Entlastungen für die Bürger*innen, die es am dringendsten brauchen statt – Zuschüsse für alle auf Dauer. Das ist schlicht nicht leistbar.
Das Anliegen, eine wirksame staatliche Energiepreisaufsicht bei der Bundesnetzagentur einzurichten, um Preisspekulationen und Wucherpreise bei Energieversorgern wirksam zu verhindern, unterstützen wir.
Wie ein gesetzliches Verbot von Sperrung oder Abschaltung der Strom- und Gasversorgung für private Haushalte und Verbraucher*innen aussehen könnte, wird ja aktuell diskutiert – mit der Idee für ein Moratorium. Aber ein Verbot allein wird nicht helfen. Irgendwer muss die Rechnung ja zahlen. Wie Stromsperren wirksam verhindert werden können, haben wir bereits mit eigenen Anträgen im Bundestag als Oppositionspartei gezeigt. Wir müssen jetzt über das Verbraucherschutzministerium prüfen, was auf die Schnelle praktisch funktionieren kann.
Wir dürfen nicht nur nach der Bundespolitik rufen, wie die Linksfraktion es in ihren Anträgen und Debatten auch heute wieder macht. Wir sind als Abgeordnete in der Pflicht, Landespolitik in der Krise zu gestalten. Es jetzt an der Zeit, mit den Kommunen zu reden, wo Unterstützung im zweiten Halbjahr gebraucht wird. Es ist Zeit für schnelle, individuelle Verbraucher*innenberatung zum Energiesparen. Und es ist vor allem Zeit für verbindliche Notfallkonzepte!
Vielen Dank!