Datum: 14. Oktober 2021

Podiumsdiskussion „Gemeinschaftsschulen für alle!“

Seit August 2020 sind die Gemeinschaftsschule und die Oberschule+ als neue Schulformen im sächsischen Schulgesetz zu finden. Diese lang ersehnte Weiterentwicklung des sächsischen Schulsystems wurde dank des Volksantrags „Längeres gemeinsames Lernen in Sachsen“ möglich, der von Gewerkschaften, Verbänden, Landeseltern- und Landesschülerrat ebenso unterstützt wurde wie von LINKEN, SPD und BÜNDNISGRÜNEN. Seit Schuljahresbeginn 2021/22 liegt nun auch die entsprechende Schulverordnung vor. Einige Schulen haben sich bereits auf den Weg gemacht, Gemeinschaftsschule oder Oberschule+ zu werden. Mit der Leipziger Modellschule wurde zum Schuljahresbeginn die erste neue Gemeinschaftsschule genehmigt, die Freie Keulenbergschule in Großnaundorf wird die erste Oberschule+.

Am 22. September 2021 lud die bildungspolitische Sprecherin der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion, Christin Melcher, zur Podiumsdebatte nach Leipzig ein. Auch ein Livestream auf den Kanälen der BÜNDNISGRÜNEN Fraktion wurde angeboten.

Als Referentinnen konnten wir begrüßen: Leipzigs Bürgermeisterin für Schule, Jugend und Demokratie Vicki Felthaus, Professor Dr. Gerlind Große, eine der Mitbegründerinnen der Leipziger Modellschule (LEMO) und Inhaberin der Professur für „Frühkindliche Bildungsforschung“ an der FH Potsdam, sowie zwei Lehrerinnen, Claudia Tröbitz, Lehrerin in der Primarstufe des Evangelischen Schulzentrums Muldental, und Tina Weber, Lehrerin für Gymnasien. Christin Melcher führte als Moderatorin durch den Abend.

„Mit der Gemeinschaftsschule verbinde ich die Hoffnung, dass sich das Repertoire des sächsischen Schulsystems erweitert.“ (Tina Weber)

Am Beginn der Diskussion stand ein kurzer Rückblick: Christin Melcher erinnerte an die Genese des Volksantrags und den langen Weg zur Schulgesetzänderung. Das Thema des längeren gemeinsamen Lernens war ein dominierendes, sowohl im Wahlkampf 2019 als auch in den anschließenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, BÜNDNISGRÜNEN und SPD. Zwar bliebe das Resultat ein Kompromiss – nun gelte es aber, nach vorne zu schauen und zu fragen, was es denn brauche, um die neue Schulform tatsächlich in die Fläche zu bekommen. Alle Referentinnen erklärten, dass man die Einführung der Gemeinschaftsschule positiv aufgenommen habe, insbesondere, weil damit der Druck auf Kinder und Familien nachlasse.

„Jetzt wird Pionierarbeit geleistet. Alles, was jetzt passiert, wird Vorbildwirkung haben.“ (Vicki Felthaus)

Welchen Stellenwert das längere gemeinsame Lernen in der LEMO hat und welche Rolle die Trägerschaft der Schule spielt, war im folgenden Gegenstand der Diskussion. Gerlind Große sah es als Vorteil, dass man als Schule in freier Trägerschaft von bestimmten Regelungen, etwa zur Klassengröße oder Zügigkeit, abweichen könne. Die LEMO wolle Vorschläge entwickeln, wie es gehen kann, der Name „Modellschule“ sei bewusst gewählt und charakteristisch. Vicki Felthaus unterstrich, wie wichtig die Schulordnung sei und welche baulichen Herausforderungen insbesondere durch die geforderte Vierzügigkeit entstünden. Da in Leipzig aktuell sehr viele Schulen (aus-)gebaut werden, läge hier aber auch enormes Potenzial, „anders“ zu bauen. Der Leipziger Stadtrat hat bereits im Zuge der Schulgesetzänderung beschlossen, dass jede Schule im Auf- oder Ausbau auf ihre Eignung als Gemeinschaftsschule geprüft werden soll. Jetzt müsse man in ersten Projekten Erfahrungen sammeln. Wichtig sei ihr zudem, dass alle an Schule Beteiligten an diesem Prozess partizipieren.

„Das Konzept des längeren gemeinsamen Lernens muss für die Schulentwicklung genutzt werden. Es reicht nicht, nur irgendwas aufzuschreiben.“ (Claudia Tröbitz)

Tina Weber und Claudia Tröbitz brachten anschließend ihre Erfahrungen aus der Praxis an Schulen in Sachsen und Berlin ein. Kinder, die es schwerer hätten, könnten an einer Gemeinschaftsschule „besser mitgenommen“ werden; es bestünde die Chance, Schule nicht nur als Bildungsort, sondern als Lebensort zu etablieren. Es gäbe verschiedene Möglichkeiten für binnendifferenzierten Unterricht und praktische Lösungen für die Schul- und Unterrichtsorganisation. Allerdings brauche die individuelle Förderung Zeit und die Rahmenbedingungen seien, mit Blick auf zu große Klassen oder den Lehrermangel, keineswegs optimal.

„Wir wollen zeigen, dass es funktioniert.“ (Prof. Dr. Gerlind Große)

In der weiteren Diskussion wurde erörtert, was passieren muss, um Gemeinschaftsschulen und Oberschulen+ nicht nur theoretisch zu ermöglichen, sondern tatsächlich einzurichten bzw. zu gründen. Es wurde deutlich, dass insbesondere bei der Lehramtsausbildung, aber auch rechtlich, bei der Schulordnung, Nachbesserungsbedarf gesehen wird. Wichtig sei der Austausch zwischen Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben oder dies beabsichtigen. Referendar*innen müssten frühzeitig den Raum haben, Dinge in der Praxis auszuprobieren. Der Fokus auf „Scheine“ im Studium mit einem überfrachteten Stundenplan sei wenig hilfreich. Claudia Tröbitz sprach von einem nötigen Paradigmenwechsel hinsichtlich des Lernziels: Es gehe nicht darum, alle Kinder auf einen Stand zu bringen, sondern den individuellen Lernerfolg zu sichern. Tina Weber warb für mehr Austausch auch zwischen den Lehrkräften und Teamteaching, Gerlind Große für eine professionelle Supervision und eine beständige Schul- und Qualitätsentwicklung. Sie stellte ebenfalls dar, inwieweit die Arbeit der LEMO wissenschaftlich begleitet wird und welche Unterstützung daraus für andere interessierte Schulen erwachsen könne.

Im Anschluss an die Veranstaltung kamen Gäste und Referentinnen noch in kleinen Gesprächsrunden zusammen und konnten Detailfragen und weiterführende Gedanken vertiefen.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann über die Facebookseite oder den YouTube Kanal der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion abgerufen werden.

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