GRÜNE diskutieren aktuelle Pläne zu BAföG und Stipendienprogrammen
In einem Fachgespräch haben die GRÜNEN im Sächsischen Landtag die Studienfinanzierung diskutiert. Mit einem vor kurzem eingebrachten Antrag wird die GRÜNE-Fraktion die Studienfinanzierung auch im Landtag zum Thema machen.
Über 50 Teilnehmer von Hochschulen und Studentenwerken, Wirtschaft, Verwaltung und Gewerkschaft diskutierten kontrovers die aktuellen Pläne zu BAföG und Stipendienprogrammen.
Prof. Dr. Rudolf Pörtner, langjähriger Vorsitzender des Ausschuss Studienfinanzierung beim Deutschen Studentenwerk stellte die soziale Lage der Studierenden in Sachsen dar. Dem ehemaligen Geschäftsführer des Dresdner Studentenwerkes zufolge, existiert nach wie vor eine soziale Schieflage an den Hochschulen. Während nur jedes 2. Kind aus nicht-akademischen Elternhäusern studiert, besucht fast jeder Abiturient aus akademischem Elternhaus später auch eine Hochschule. Eine der Hauptursachen für dieses Problem liegt in der Studienfinanzierung. Auch in den neuen Bundesländern ist das BAföG nur die zweitwichtigste Einkommensquelle der Studierenden nach den Eltern. Zwar erreicht das BAföG vorwiegend tatsächlich einkommensschwache Schichten, andererseits ist die überwiegende Mehrheit der Studierenden auf Nebenjobs und weitere Einkommensquellen angewiesen. Insbesondere die Studienfinanzierung von Seiten der Eltern ist in den meisten Fällen unzureichend. Insgesamt deckten die Eltern mit 5,4 Milliarden mehr als die Hälfte der Unterhaltsfinanzierung von Studierenden ab, während das BAföG nur knapp 20 Prozent trage.
Prof. Dr. Andrä Wolter bezeichnete die geplante BaföG-Erhöhung als unzureichend. Schon jetzt lebt jeder dritte Studierende unter prekären Einkommensbedingungen. Finanzielle Probleme sind ein Hauptgrund für die hohe Zahl an Studienabbrüchen. Die versprochene Ausweitung der Stipendienmittel infolge der Studiengebühren ist in den letzten Jahren vollständig ausgeblieben. Er verwies auf die problematischen Effekte der geplanten Stipendienprogramme. Die bisherige Begabtenförderung weist dem Professor für Organisation und Verwaltung im Bildungswesen zufolge eine deutliche soziale Schieflage auf, die das geplante Stipendienprogramm zu verschärfen droht. Eine Ausweitung des Stipendienwesens macht Wolter zufolge nur bei einer gleichzeitig erfolgenden sozialen Öffnung Sinn.
Marco Unger von der Konferenz sächsischer Studierendenschaften erläuterte die studentische Forderung nach einer elternunabhängigen und pauschalen Bildungsfinanzierung. Schon derzeit werden von BAföG vollfinanzierte Studierenden mit 5700 Euro jährlich nur unwesentlich besser vom Staat gestellt als einkommensstarke Eltern von Studierenden, die bis zu 5200 Euro erhalten. Dem Vertreter des Landesausschuss der Studierenden in der GEW zufolge könnte die Kombination von Mitteln des BAföG, Kindergeld und steuerlichen Freibeträgen verbunden mit einer umfassenden Entbürokratisierung weitgehend die Finanzierung eines elternunabhängigen Studienhonorars in Höhe von 6000 Euro sichern.
Der Referatsleiter für studentische Angelegenheiten im Wissenschaftsministerium Friedrich Zempel stellte die Pläne von Bund und Land zur Einrichtung von Stipendienprogrammen vor. Ab Wintersemester 2010/11 sollen unabhängig vom Einkommen Stipendien in Höhe von 300 Euro monatlich für begabte Studierende vergeben werden. Dabei sollen die Stipendiengelder durch die Hochschulen zur Hälfte von der Wirtschaft eingeworben werden, je Stipendium schießen Bund und Freistaat die Hälfte zu. Eine Hochschule wie Zittau könnte so bis zu 300.000 Euro an Stipendiengeldern einwerben, auf den Freistaat kämen Kosten von bis zu 7,2 Millionen Euro zu. Auf ein eigenes Stipendienprogramm könne der Freistaat angesichts des nationalen Stipendienprogramms verzichten, auch wenn dazu noch keine Entscheidung gefallen sei.
Die Teilnehmer diskutierten kontrovers die möglichen Effekte des neuen Stipendienprogramms. Marco Unger zeigte sich verwundert, dass angesichts des gerade zu beobachtenden Scheiterns ähnlicher Modelle in den USA in Deutschland privatfinanzierte Modelle angestrebt werden. Prof. Wolter zufolge drohe mit der Teilfinanzierung der Stipendien durch Unternehmen eine einseitige Bevorzugung der wirtschaftsnahen Fächer. Einer Vermischung staatlicher und privater Gelder sei die klare Trennung einer staatlichen Studienfinanzierung von einer privaten Stipendienfinanzierung vorzuziehen.
Die Unübersichtlichkeit des gesamten Systems der Studienfinanzierung spielte ebenso eine Rolle wie zahlreiche Problemlagen bei der realen Umsetzung des BAföG. Insbesondere die wachsende Vielfalt von Lebenslagen werde durch das BAföG nur unzureichend berücksichtigt. Sowohl Studierende weiterbildender Studiengänge als auch studierende Eltern werden durch das BAföG nicht abgesichert. Ein großes Problem stellt zudem die Anschlussfähigkeit zwischen Bachelor und Master dar. Friedrich Zempel teilte das übereinstimmend geteilte Ziel, dass das BAföG einfacher und gerechter werden muss.
Nach Ansicht des hochschulpolitischen Sprechers Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zeigen die Diskussionen des Fachgesprächs, dass die derzeit geplanten kleinen Veränderungen beim BAföG unzureichend sind und das Stipendienprogramm mit erheblichen Problemen verbunden ist. Um grundsätzliche Veränderung für ein gerechtes und einfaches System der Studienfinanzierung kommen Bund und Land künftig nicht herum.
» GRÜNER Antrag zur Bildungsfinanzierung (Drs. 5/1063)
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